Renate ist die unordentlichste Frau auf diesem Planeten. Aber wehe, man stört sie in ihrer Ordnung! Diese Einleitung bedarf einer Erläuterung, die – so ist mir jetzt bereits gewahr – der Komplexität der Thematik nicht gerecht wird.
Renate ist einer der großen Nutznießer irdischer Gravitation. Dinge – ganz gleich, welche es auch seien – lässt sie üblicherweise rings um sich herum niedersinken. Kleidungsstücke, Zeitschriften, Einkaufstaschen. Da sie diese Dinge in der Regel nach ein-zwei Tagen wieder benötigt und mithin vom Druck der Schwerkraft befreit, besteht für sie keine Notwendigkeit, sie in der Zwischenzeit bestimmungsgemäß abzulegen. Fatal jedoch die irrige Annahme, sich bei seinem Tun einer gewissen Gleichgültigkeit hingeben zu können, also vorauszusetzen, man dürfe – wieder nur ein Beispiel – eine kaffeesatzträchtige Kanne neben die Spule stellen, weil: Ist ja eh wurscht. Oh nein! Das geht nun wirklich so gar nicht! So ist man bei ihr nie vor Überraschungen gefeit.
Heute weiß ich, dass ihre Villa Kunterbunt nie einen ordentlicheren Tag erlebt hat, als den, an dem ich zum ersten Mal bei ihr war. Aber schon damals war ich erschlagen von all‘ dem Klimbim, der da auf Regalen, den Fensterbrettern und vor allem dem Boden angesammelt war. Aber! Es ist diverse Male vorgekommen, dass ich in Vorbereitung des Bezugs meiner jetzigen Wohnung in Berlin eher beiläufig erwähnte: „Ach, DAS könnte ich noch gut brauchen.“ In der Küche, im Arbeitszimmer, wo auch immer. Dann hat es einige Sekunden gedauert, und sie verschwand in einen ihrer Räumlichkeiten, um wenig später genau DAS in Händen zu halten. Auf absolut niemanden trifft die zumeist beschönigend gemeinte Redewendung so zu exakt zu: „Das Genie beherrscht das Chaos.“
Das alles ist mitunter anstrengend, aber genau deshalb liebe ich sie. Denn bei Lichte betrachtet wäre eine Partnerin, bei der alles immer seine Ordnung hat, es stets sauber bis keimfrei ist, die prinzipiell alles sofort erledigt, weitaus anstrengender.
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Rainer (Sonntag, 08 Dezember 2024 06:55)
Peinlicher geht es ja kaum noch