Bescherung

Sollte diese viel besunge­ne Szene, deren religions­wissenschaftliche wie theo­logische Bedeutung an die­ser Stelle mitnichten bezwei­felt wird, tatsächlich je statt­gefunden haben, so war die ,,Heilige Nacht" für alle Be­teiligten gewiss keine stille. Ergriffene, ja besinnliche Be­schaulichkeit wird mit Blick auf die bittere Not, in der sich Mutter und Kind befan­den, wohl kaum aufgekom­men sein. Was aber deren tönerne Darsteller in unserem weih­nachtlich hergerichteten Wohnzimmer im vergange­nen Jahr erlitten haben, kam - um in der theologischen Terminologie zu verharren -nachgerade einer Apokalyp­se gleich.

 

Da standen und knieten sie nun, von Kerzen und einer Taschenlampen­glühbirne stimmungsvoll ins Licht gesetzt, vor dem lie­ben Jesulein und harrten in andächtigem Gebet des Glöckchens, mit dem der Va­ter anstelle des Christkindes den Weihnachtsabend einläutete. Wenig später brach ein In­ferno über die traute Schar, bestehend aus Maria, Josef, den Heiligen Drei Königen und den Hirten auf dem Fel­de herein, das auch vor dem Christuskind nicht Halt machte. Letzteres nämlich ward alsbald verschleppt und erst tags darauf völlig verstört in einer Sesselspalte wieder gefunden. Die Drei aus dem Morgenland fanden sich binnen Sekunden im Kuhstall bei Ochs und Esel wieder, vermutlich in er­presserischer Absicht inter­niert.

 

Die Sprache aber ver­schlug es dem Rettungsteam in Gestalt von Vater und Mutter, das zu mitternächt­licher Stunden nicht Tod noch Teufel scheute, als es sich durch Papierberge, Spielzeugtrümmer und Keksreste bis zur Krippe vorkämpfte, beim Öffnen der Klappe zum Heuboden. Lag dort doch die Jungfrau Maria einträchtig neben dem Hirten, der die Aufsichts­pflicht über seine Schäfchen offenbar sträflich vernach­lässigte.

 

Die tönernen Darsteller jedenfalls quittierten ange­sichts dieser Misshandlung auf der Stelle ihren Dienst und zogen es vor, eingehüllt in Packpapier und abge­schirmt durch einen Schuhkarton auf ihren nächsten Auftritt in einem Jahr zu warten. Mutter und Vater legten so das Handwerk den Rowdies, die all dies ange­richtet hatten: ihren Söhnen, drei und anderthalb Jahre alt...

 

 

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